News aus Salzburg

Aktuelles zur Wertsicherung08.08.2025

Wenig überraschend, dass wir als Interessensvertretung der Haus- und Grundbesitzer die Entscheidung 10 Ob 15/25s als Judikaturwende nur begrüßen können.

Die Kernaussage dieser (hoffentlich) bahnbrechenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) lautet dahin, dass auf Dauerschuldverhältnisse (also vor allem Bestandverträge) § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht anwendbar ist (sofern die Bestanddauer zwei Monate übersteigt und de facto in dem genannten Zeitraum keine Entgeltanpassung erfolgte).

Die Entscheidung hat daher für den gesamten Wohnungsmarkt Bedeutung und schützt Vermieter vor unabsehbaren, allenfalls sogar ruinösen Rückforderungsansprüchen der Mieter aus im Lichte des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (teilweise) unzulässigen Wertsicherungsklauseln, zumal der OGH auch ausdrücklich betont hat, dass seine Rechtsmeinung sowohl für Verbands- als auch Individualklagen gelte.

Der gesunde Menschenverstand und vor allem die volkswirtschaftliche Vernunft haben gesiegt. Der Oberste Gerichtshof bestätigt daher unsere seit langem vertretene Auffassung, dass für einen funktionierenden Wohnungsmarkt eine Wertbeständigkeit des Mietzinses qua Wertsicherung unabdingbar ist, weil Erhaltung des Mietgegenstandes und Höhe des Mietzinses in einem Entgeltverhältnis stehen und Ungleichgewichte auf diesem Gebiet direkte Auswirkungen auf das Angebot an Mietwohnungen haben.

Für alle Stakeholder am Wohnungsmarkt, insbesondere auch die Mieter selbst hat daher der OGH eine gute Entscheidung getroffen, die auch fundiert und ausführlich begründet ist und auch schon explizit auf die jüngsten VfGH-E G 170/24ua eingeht, die die Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse für verfassungskonform erklärt haben (zur Analyse dieser E konnten wir dankenswerterweise auf die hervorragende Expertise unseres Vereinsmitgliedes em.ord. Univ. Prof. Dr. Harald Stolzlechner zurückgreifen).

Unser Präsident des ÖHGB Dr. Prunbauer, wurde nicht müde zu betonen, dass es zu grob unbilligen Ergebnissen (insbesondere bei unbefristeten geschützten Mietverhältnissen) führt, wenn beispielsweise ein Mieter dreißig (!) Jahre zurück Mietzinserhöhungen, die sich aus einer Wertsicherungsabrede ergeben haben, bereicherungsrechtlich zurückzufordern kann. Genauso sieht es jetzt auch der OGH, der hier eine „enorme Unbilligkeit“ ortet. Der OGH verweist auf den europarechtlichen Hintergrund: Die KlauselRL der EU verunmöglicht es, Wertsicherungsklauseln, die mit einem Makel iS KSchG behaftet sind, im Wege einer „geltungserhaltenden Reduktion“ wenigsten teilweise aufrecht zu erhalten, sodaß, welche Konsequenz der OGH auch zunächst gezogen bzw. in Kauf genommen hat, Vermieter uU über einen Zeitraum von dreißig Jahren um berechtigte Ansprüche auf Mietzinserhöhung umgefallen wären.

Hinzuweisen ist auch noch darauf, dass die neueste E. des OGH nicht im Widerspruch zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) steht:  Der OGH sieht die vom VfGH überprüfte Norm als nicht auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar an. Allerdings konnte sich der OGH einen Seitenhieb auf und Schelte für den VfGH nicht verkneifen. Die von diesen zitierten OGH-Zitaten seien teilweise gar nicht einschlägig bzw sei mitnichten von einer ständigen Judikatur des OGH auf diesem Gebiet auszugehen. Außerdem klingt in der zit. OGH-E. auch an, dass der VfGH viel zu wenig beachtet habe, dass es ohne Wertsicherung keine unbefristeten Vermietungen mehr geben würde und daher die Möglichkeit, einen langfristigen Vertrag an die Inflation anzupassen, im allgemeinen (= öffentlichen) Interesse liegt. Überhaupt hat der OGH in sehr selbstbewusster Weise seine Rolle als letzte Instanz in Zivil- und Strafsachen herausgestrichen, sodaß ihn der VfGH nicht präjudizieren könne. Vor allem kann aus den E des VfGH nicht im Umkehrschluß davon ausgegangen werden, die nunmehr vom OGH vertretene Rechtsmeinung sei nicht verfassungskonform.

Abschließend die Frage, ob wir aus unserer Sicht nun Rechtssicherheit haben. Diese Frage muss man als (berufsmäßig) vorsichtiger Jurist mit „Jein“ beantworten: Der OGH spricht in seiner jüngsten E selbst davon, dass es dazu noch keine stRspr gibt, von der abgewichen worden wäre und gebe es auch (noch) keine uneinheitliche Rspr. Daher sei kein verstärkter Senat zu bilden gewesen.

Theoretisch denkbar ist es daher, dass (etwa in  einem der derzeit anhängigen Rückforderungsprozesse von Mietern in der Klägerrolle) der OGH  (in anderer Senatsbesetzung oder durch einen verstärkten Senat) wieder zu seiner ursprünglichen Rechtsmeinung zurückkehrt, was aber schon deshalb nicht zu erwarten ist, weil die E 10 Ob 15/25s argumentativ – im Gegensatz zu der in der E auch ziemlich unverblümt kritisierten Vorjudikatur – sehr gut abgesichert ist und der OGH wohl insgesamt nicht das Vertrauen auf die Verlässlichkeit seiner Leitjudikatur aufs Spiel setzen möchte.

Überdies hat uns die Politik ohnehin versprochen, verbleibende Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet, insbesondere, was die Verjährungsfristen von Rückforderungsansprüchen anbelangt, durch eine klare gesetzliche Regelung zu beseitigen. Zu hoffen ist allerdings, dass legistische Eingriffe nicht hinter den mit 10 Ob 15/25s erreichten Stand zurückfallen …

Wir müssen daher wachsam bleiben!

 
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